Diese Webseite ist privat nach § 55 Abs. 1 RStV, gestaltet von Dr. Ralph Okon, Anger 97, DE 99880 Teutleben.
Es werden von mir keine cookies verwendet. Es werden durch mich keine Daten von Nutzern erhoben.
Auf die Erhebung von Nutzerdaten durch den Provider (die 1&1 Internet SE und die 1&1 Telecommunication SE sind Unternehmen der United Internet Gruppe) habe ich keinerlei Einfluss.
Über die Datenerhebung und Datennutzung durch den Provider können Sie sich hier informieren.

 

"Wirkungsgradkosmetik"

© 24012012 by DrRalphOkon

 

Theoriestartseite

Übersicht

 

Die ausgeprägte Polemik und Ironie auf dieser Seite ist durchaus beabsichtigt - ich habe es der Zielperson schließlich fest versprochen!

 

Ein eisenarmer Uralt-Align 700MX mit 96,x% Wirkungsgradmaximum bei über 200A ?
Ist das möglich oder doch nicht?
Ein amerikanischer Wickler behauptet, das mit einer einfachen 1,8er single-layer Wicklung mit YY Verschaltung hinbekommen zu haben. Und DER selbsternannte deutsche "Modellmotorexperte" widerspricht ihm auch nicht.
Also muss es ja möglich sein.

Aber WIE?

Ist gar nicht so schwer.
Mit einer an sich richtigen Formeln und ein paar "Konstanten" kann man es auf dem Papier hinbekommen.

Nun ist es bereits das zweite Mal, dass der diplomierte Ingenieur versucht, unglaubliches glaubhaft zu machen.
Vor einigen Jahren errechnete er wahnsinnig hohe Kupferfüllgrade von knapp 70% mit einfachen Handwicklungen dadurch, dass er eine an sich richtige Formel völlig falsch verwendete.
Das Ergebnis war damals eine Verdoppelung des tatsächlich erreichten Füllgrades, in Summe weit über das real erreichbare Maß hinaus, ohne dass das jemand in Frage gestellt hätte.
Auch damals hat der deutsche "Experte" ihm übrigens nicht widersprochen.

Aber auch diesmal kann sein Tun aufgeklärt werden.
Dieser IEEE-Ingenieur berechnete seinen Motorwirkungsgrad nach der Formel für den theoretisch maximal erreichbaren Wirkungsgrad:

 

η max = (1-wurzel(leerlaufstrom / Stallstrom))²

 

Dabei setzt er einen Stallstrom in die Formel ein

 

I stall = Arbeitsspannung / Innenwiderstand

 

den er für fast die doppelte Betriebsspannung (43,2V) berechnet hat - zusammen mit dem mit dem I 0, das er für nur 22,5V gemessen hat.
Auf diesen sehr speziellen Pfad muss man erstmal kommen....
Damit ist er allerdings nicht allein.
Sein deutscher Buddy und einige Hersteller machen es genauso.
Auch diverse Rechentools arbeiten mit diesem Formelwerk.
Solche "speziellen" Berechnungen mit - einzeln betrachtet - wahren Daten, die falsch in eine richtige Formel eingelesen werden, werden erstraunlich oft durchgeführt!

Daß so ein Fehler einem einfachen Bastler oder einem Fluginstrumentebau-Feinmechaniker "aus Versehen" unterläuft, mag hinnehmbar sein.
Auch dessen lahme Begründung für dieses Vorgehen: "Aber das machen doch alle so...."
Aber bei einem diplomierten Ingenieur muss man da schon bösen Willen unterstellen.

Oder aber er hat nie gemessen oder gehört, dass der I 0 bei höherer Spannung auch höher ist!

Natürlich ist das eine sehr coole Idee, um ein viel besseres Ergebnis für den Wirkungsgrad zu erhalten als alle anderen vorweisen können, die fair rechnen.
Wie wird's nun gemacht, wenn man den Papierwirkungsgrad mess- und rechentechnisch "verbessern" will?
Im folgenden habe ich mal eine Auswahl von bewährten Möglichkeiten zusammengestellt.

Timing:
Der "Timing-Trick" wurde von den Bastlern schon vor 15 Jahren mit der Nutzung des "Jazz" von Kontronik zur Wirkungsgradverbesserung verwendet.
Das originäre Timing ist generell 0°, alle höheren Einstellungen dienen vor allem dazu, die Leistungsfähigkeit des Motors zu erhöhen.
Man kann das gut mit der "Vorzündung" beim Verbrennungsmotor vergleichen.
Wenn der Motor keine Last hat, ging beim "Jazz" Steller das Timing bis 0° runter und bei steigender Last bis 30° rauf.
Üblicherweise wird dieses wechselnde Timing als "Auto-Timing" bezeichnet.
Fast jeder Modellbauer kennt das heute, fast jeder Regler hat diese Funktion implementiert.
Beim "Kosmik" oder "Koby" kann man das wechselnde Timing sogar mit dem Datenlogger auslesen.
So erhält man mit Autotiming einen sehr niedrigen I 0, weil der Steller im Leerlauf automatisch fast 0° Timing verwendet.
Und der Motor läuft natürlich auch bis zu höchsten Lasten, weil der Steller dort mit bis zu 30° Timing arbeitet.

Leerlauf- und Betriebsspannung:
Dies ist ein auch schon sehr alter Trick der Modellmotorhersteller.
Sie messen den I 0 bei einer sehr niedrigen Spannung (10V) und geben in ihren Tabellen die höchstmögliche Betriebsspannung an.
Wer also diesen Trick nicht kennt, gibt den I 0 für 10V und die hohe Arbeitsspannung zusammen in den Rechner ein und freut sich über die daraus resultierenden hohen Wirkungsgrade.

Ohmscher Wicklungswiderstand (Innenwiderstand):
Nicht zuletzt sollte man den rein ohmschen Phasenwiderstand ohne Wechselstromeffekte anstelle des (realen) dynamischen Widerstands verwenden, um einen höheren Wirkungsgrad aus der Formel oder den Rechnern zu erhalten.
Auch der Platinentrick ist eigentlich genial. Wenn man die Anschlussdrähte des Motors quasi weglässt, verringert man den Ohmschen Wicklugswiderstand je nach Windungszahl gern mal um gut 10%.

ein weiterer hilfreicher Trick: Man kann den Motor richtig schön heiss werden lassen - der Innenwiderstand erhöht sich auf bis zu 200% und der Leerlaufstrom sinkt noch weiter. Das zahlt sich dann in der Berechnung mit obiger Formel natürlich aus.

Mechanische und Lüfterverluste:
Wenn man den Lüfter ausser Betrieb setzt und die Lagerreibung verringert (kein Fett, sondern sehr dünnes Öl), wird I 0 weiter sinken.
Logischerweise hat der Motor im Leerlauf die höchste Drehzahl und so auch der Lüfter seine höchste Leistungsaufnahme.
Will man es auf die Spitze treiben, umwickelt man den Stator mit Tesa und schließt so die Lücken zwischen den Hammerköpfen und verringert die Wirbelbildung an dieser Stelle.
Etwas aufwändiger ist es, die Lücken zwischen den Magneten zu verschließen.
Oder man lässt das Teil gleich im Vakuum laufen. (Aber nicht zu lange- die Wärmeabfuhr wird dabei weitgehend gestört)!

Weil es so schön ist, noch ein praktisches Beispiel:

Ich nehme dazu mal den HK 7455 mit seinem scheinbar extrem hohen Leerlaufstrom von 18,12A bei 49V.

Schritt 1:
Wenn ich den eta max für diesen Motor nun nach der "amerikanischen IEEE-Ingenieursmethode" (erstmal fair, mit den richtigen Daten) berechne:
Stallstrom = Spannung / R i
49V / 1,8mOhm =27.222A

Mit diesen Daten füttere ich die Formel für den maximal theoretisch möglichen Wirkungsgrad:
eta max = (1-squareroot(I 0 / I stall)) ² = 94,9%. Das ist schon deutlich mehr, als "Drivecalc" für diesen Motor berechnet.

Schritt 2:
Ich senke die Spannung beim Leerlauftest etwas ab und erhöhe die Arbeitsspannung auf den maximal zulässigen Katalogwert.
Der Leerlaufstrom bei 24,4V beträgt nur 13,4A.
Wenn ich jetzt den Stallstrom für 56V berechne:
(Stallstrom = Arbeitsspannung / Innenwiderstand) Ri=1,8mOhm , sind es jetzt 31.111 A.
Setzt man diese Zahlen in die Formel ein, ergibt sich ein Wirkungsgrad von 95,892%.
Okay, klingt schon besser.

Schritt 3:
Als nächstes wird der I 0 mit weniger Spannung und wenig Timing gemessen, um weitere Punkte im Wirkungsgrad zu gewinnen.
Bei 13,7V gönnt sich der Motor 8,98A.
Jetzt berechne ich den Wirkungsgrad für 56V mit diesem I 0
I stall ist immer noch 31.111A.
Setzt man diese Daten in die Formel ein, erhält man: 96,6309% Wirkungsgrad.
Noch besser.
Dabei sind die Verluste des Radiallüfters noch nicht berücksichtigt und die ganz unten geschilderten Möglichkeiten zur weiteren Verringerung der mechanischen Verluste noch gar nicht umgesetzt!

Schritt 4:
Der Regler.
Zuerst kann ich das Timing auf "auto" oder manuell auf 0 Grad einstellen, was den I 0 weiter senkt.
Dann wird der Regler gegen einen kleinen und hochohmigen Niederspannungstyp gewechselt, der mit 10V (die meisten Werksangaben für den Leerlaufstrom beziehen sich auf diese Spannung) arbeiten kann.
so komme ich für 10V auf 7,25A für I 0 für meinen handgewickelten 7455.
Berechnet für 56V Arbeitsspannung:
I stall ist nach wie vor 56V / 0,0018Ohm = 31.111A.
Die Wirkungsgradberechnung mit der "Zauberformel" ergibt nun 96,97%.

Schritt 5:
Reduktion der mechanischen Verluste.
Also Lüfter Abkleben, das dicke Fett raus aus den Lager und dafür ganz dünnes Öl rein.
Einen Tesastreifen auf die Statoraussenfläche, um die Lücken zwischen den Hammerköpfer zu schließen und so die Wirbel dort zu verhindern.
Und die magnetzwischenräume verfüllen.
Damit habe ich nun sogar die 97% erreicht.

So, und das ist jetzt der "offizielle Wirkunsggrad" meines Motors für den Werbetext. Denn: "Die anderen machen es ja auch so....."(LACH)
Wenn jemand zusätzlich die "modernen Wickelmethoden" anwendet, könnte er wahrscheinlich noch höher kommen.
3% Steigerungsmöglichkeit stehen ja noch zur Verfügung bis zum perpetuum mobile!

Diese dumme Spiel war doch ganz lustig - oder etwa nicht?

Ich hoffe, dass nun alle echten Bastler viel mehr Spaß an der Berechnung der maximalen Wirkungsgrade ihrer Motoren haben werden!!!
Aber bitte bedenkt:
Das ist nicht das wirkliche Leben, das sind nur nur die Daten auf dem geduldigen Papier!

Ich bleibe für mich lieber bei den von "Drivecalc" realistisch berechneten (niedrigeren) Wirkungsgraden.
Festes Timing + gleiche Spannung für I 0 und Lastpunkte, Verwendung des dynamischen Widerstands in der Berechnung, keine artefizielle Reduzierung der mechanischen und Lüfterverluste).

 

Ohnehin sieht man erst in der praktischen Anwendung, ob das eigene Werk für den geplanten Zweck wirklich taugt!

 

Theoriestartseite

Übersicht